Forum II.II.1
Die Nullte Instanz – Digitale Konfliktlösung vor dem Verfahren?
Forum II.II.1
Die Nullte Instanz – Digitale Konfliktlösung vor dem Verfahren?
Gerichtliche Verfahren sind oft nur das letzte Glied in einer langen Konfliktkette. Doch was, wenn der Zugang zum Recht bereits vor der Klage neu gedacht wird? Die Idee einer „Nullten Instanz“ zielt auf genau diesen Punkt: eine digitale, vorgelagerte Entscheidungsschicht, die rechtliche Orientierung bietet, Konflikte strukturiert, Transparenz schafft – und gerichtliche Verfahren unter Umständen überflüssig macht.
Der Koalitionsvertrag 2025 sieht zwar keine explizite Nullte Instanz vor, bekennt sich aber zur Einführung von Justizportalen mit digitalen Rechtsantragsstellen, zur Stärkung niedrigschwelliger Online-Verfahren und zur Verfahrensverkürzung durch Strukturierung – alles Elemente, die visionär Teil einer solchen vorgelagerten Lösung sein könnten.
Zunehmend in den Blick rücken auch „Predictive Justice“-Ansätze, also KI-gestützte Vorhersagemodelle zur Einschätzung von Erfolgsaussichten, typischen Verläufen oder Vergleichswahrscheinlichkeiten. Solche Tools können Bürger:innen helfen, informierte Entscheidungen zu treffen – werfen aber zugleich ethische, rechtliche und methodische Fragen auf.
Im Mittelpunkt der Session stehen diese Fragen:
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Welche Funktion könnte eine digitale Nullte Instanz übernehmen – rechtlich, technisch, sozial?
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Wie lassen sich Online-Schlichtungsangebote, Justizportale, KI-basierte Orientierung, rechtliche Selbsteinschätzung und Vorhersagesysteme („Predictive Justice“) sinnvoll vernetzen?
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Wo liegen die Grenzen – etwa bei Verdrängung anwaltlicher Beratung, fehlender Bindungswirkung oder Qualitätsstandards?
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Was zeigen internationale Erfahrungen mit digitalen Schlichtungsplattformen (z. B. in Estland oder Kanada)?
Diskutiert wird, wie sich präventive Rechtsschichten digital aufbauen lassen, welche institutionellen Fragen sich stellen – und wie die Justiz zugleich entlastet, geöffnet und zugänglicher werden kann.